Arminius
(Claus Irmscher)

Der Autor nennt seine Publikation »Ein deutsches Schicksal in Szenen« und bekennt sich‚ obwohl er es dem Gedächtnis Friedrich Schillers widmet‚ nicht ausdrücklich zum Genre des Dramas. Über 20 Figuren und Statisten agieren. Die Handlung währt vom Jahre 4 bis 9 nach Christus‚ der Zeit vor der Schlacht im Teutoburger Wald. Heinrich von Kleist hat sich 1808 des Stoffes angenommen‚ um zum Kampf gegen die napoleonischen Unterdrücker aufzurufen‚ wobei er seine blauäugigen Helden mit tückischer Gefährlichkeit ausstattet und die Gesetze der Menschlichkeit verletzt‚ was einen zwiespältigen Eindruck hinterläßt.
Von Hohentramm ordnet sein Werk klassisch formal in fünf Aufzügen an‚ was suggeriert‚ daß er mit dem Gedanken an ein Drama spielt. Zum Inhalt:
In der Vorhalle des Kaisers Augustus unterhalten sich Varus und Arminius über das Göttliche im Menschen. Während Varus den Kaiser verherrlicht‚ bestreitet Arminius als Tatmensch höhere Weihen. Der Kaiser schätzt Arminius als ehrlich ein‚ während dieser ihm‚ trotz Geiselnahme als Kind‚ Treue gelobt. Er darf die Herrschaft in seiner Heimat antreten und soll mit dem goldgierigen Varus die römische Herrschaft sichern. Scheinbar zieht ihn der Kaiser dem Mitbewerber Marobod vor.
In der Heimat erfährt Arminius vom Tod seines Vaters‚ kündigt die Ankunft von Varus mit seinen Truppen an und versucht‚ im Kreis seiner Verwandten trotz Kritik Roms Größe zu würdigen‚ was bei den Anwesenden keinen Anklang findet.
Beim Cheruskerfürsten Segestes‚ dem Onkel‚ und seinem Sohn Segimund‚ fürchtet man‚ daß Arminius sich mit Varus´ Hilfe zum König aufschwingen will. Segimund soll ihn aushorchen‚ um seine Absichten zu erkennen.
Arminius besucht die Seherin‚ seine Urgroßtante‚ im Wald‚ um sie über seine Zukunft zu befragen. Er bekommt nach langem Zögern Auskunft über Erfolg und Verlust‚ möchte letzteres verweigern‚ doch es ist ihm zugedacht.
Im Quartier der Legionäre wird über das trostlose Land geklagt‚ die fehlende Abwechslung bedauert und eine Wette abgeschlossen‚ daß ein Legionär bis zur nächsten Woche eine Einheimische aufs Kreuz legen will.
Arminius liebt Thursinhildis‚ die Tochter des Segestes. Er will bei ihrem Vater um sie anhalten. Sie beichtet ihm‚ daß Vater und Bruder ihn hassen‚ doch er läßt nicht davon ab‚ an seiner Liebe zu ihr festzuhalten.
Arminius erfährt‚ daß auch Sigidag‚ sein Blutsbruder‚ Thursinhildis liebt. Er stellt ihm die Freiheit aller Stämme als das große Ziel vor‚ das er anstrebt‚ wogegen persönliches Glück zurückstehen müsse‚ und verlangt Sigidags Rückhalt und Unterstützung‚ die ihm dieser widerwillig zusagt.
Varus verkündet vor Segestes und Vala‚ dem Kommandanten der römischen Reiterei‚ daß er bald Städte mit Märkten‚ Bädern und Amphitheatern bauen lassen will‚ was Segestes nicht gefällt. Unter vier Augen berichtet dieser‚ daß Arminius heimlich die Krieger zusammenruft und den Aufstand plant‚ um König zu werden‚ nicht von Roms Gnaden‚ sondern aus eigener Kraft.
Gerlint‚ eine Cheruskerin‚ wird beim Wasserholen in der Ferne von einem Römer attackiert. Sigidag‚ der Schreie gehört hat‚ schwört vor anderen Frauen‚ da er sie rächen will‚ sollte ihr etwas zugestoßen sein.
Arminius eilt zu Varus und fordert‚ die Schuldigen für die Vergewaltigung der Frauen zu bestrafen‚ was Varus zusagt. Als er weiter fordert‚ den Cherusker freizulassen‚ der bei der Hilfe für die Frauen schwer verwundet wurde‚ kommt es zum Streit‚ von welchem Standpunkt aus Recht zu sprechen ist. Arminius beharrt auf germanischem‚ Varus auf römischen Recht. Als Arminius erfährt‚ daß der Cherusker sein Freund Sigidag war und hingerichtet wurde‚ ist er entsetzt. Varus besteht auf militärischer Disziplin. Als Arminius voraussagt‚ dieser Tod könne den Zorn der Germanen bewirken‚ verlangt Varus die Bündnistreue seines Vasallen und erklärt‚ daß er gewarnt wurde‚ er‚ Arminius‚ plane einen Aufstand. Dieser zeiht den Überbringer der Lüge und verlangt seine Gefangennahme und Klärung in einer Gegenüberstellung‚ die Varus nicht annimmt‚ dafür zusagt‚ ein hohes Sühnegeld zu zahlen‚ was Arminius scheinbar akzeptiert.
Auf dem Haupt-Thingplatz haben sich viele Cherusker versammelt und beratschlagen‚ welche Kultur herrschen soll. Als Arminius erscheint‚ ruft er sie auf‚ sich zu entscheiden‚ ob sie reiche Knechte sein oder besser für die Ehre der Frauen‚ zum Gedenken an den Blutsbruder Sigidag und die Freiheit streiten wollen‚ was nur durch Kampf zu erreichen ist. Den Einwand‚ er hätte auch dem Cäsar den Treue-Eid geschworen‚ daß er deshalb unglaubwürdig sei‚ entkräftet er mit dem Argument‚ daß der Cäsar den Schwur gebrochen habe‚ als er von Freundschaft sprach und nun durch Varus die Germanen unterdrückt.
Die Entscheidung wird nicht getroffen. Kampf und Sieg bleiben offen. Der Verfasser läßt die Szenenfolge mit der Aussage des Wigand abrupt enden‚ daß sich nur die Dummen nach Walhalla drängen. Bei ihm hätte es keine Eile.
Damit wird klar‚ daß es sich nicht um ein echtes Drama handeln kann‚ das eine Exposition‚ eine Steigerung‚ einen Höhepunkt und den tragischen Schluß benötigt. Es wird zwar der Held in seinem inneren Konflikt zwischen den zwei gegensätzlichen Treue-Eiden mit seinen Gegenspielern vorgeführt‚ jedoch der Konflikt nicht zur Entscheidung gebracht. Da der Held im ausgesparten Kampf historisch siegt und erst später durch eigene Verwandtenhand fällt‚ hätte der Konflikt zwischen ihm und seinem Onkel in die Mitte gerückt werden müssen‚ um dramatisch wirken zu können.
Wie steht es um die Motive und Charaktere der handelnden Personen?
Ein Kaiser‚ der einen Heerführer danach beurteilt‚ ob er nur »ehrlich« seine Meinung sagt‚ anstatt Interessen zu bewerten‚ ist für Politik untauglich. Sein Kardinalfehler war‚ Arminius in dessen Heimat zu schicken‚ die ihn ja in der Kindheit geprägt hat und ihm einen Haudegen wie Varus an die Seite zu stellen. Der Konflikt ist vorprogrammiert.
Arminius‚ der den Spagat seiner gegensätzlichen Treue-Eide bewältigen muß‚ ist gezwungen‚ einen zu brechen. Seine Entwicklung vom »Römer« zum Cheruskerführer‚ vom Naivling zum Verteidiger von Stammesinteressen ist nur zum Teil glaubwürdig. Trotz künftigen Heldentums möchte er nämlich gern ein germanischer König werden‚ ohne es auszusprechen‚ und nicht nach vollbrachter Tat nach germanischer Sitte bescheiden zurücktreten‚ was ihn später zu Fall bringt.
Sein Onkel hatte somit recht. Doch wer einerseits Städte mit Märkten usw. ablehnt‚ andererseits kollaborieren will‚ um an der Macht zu bleiben‚ überzeugt ebenfalls nicht.
Die Handlungen von Varus kann man nur als leichtfertig bewerten. Er wird über Arminius´ gefährliche Absichten unterrichtet‚ unternimmt aber nichts‚ weder gegen den Informanten‚ noch gegen Arminius‚ der ihm heuchlerisch seine »Unschuld« beteuert. Ein Haudegen‚ der skrupellos Cherusker abschlachten läßt‚ würde auch im engeren Kreis »aufräumen« und sich nicht beschwatzen lassen.
Mit dem Abbruch der Entwicklung der Handlung und der Verweigerung des Wigand zu kämpfen wird die historische Tat‚ von der jeder Leser bescheid weiß‚ in Frage gestellt‚ was logischerweise zur Haltung des Autors führt‚ es wäre für Deutschland besser gewesen‚ sich der römischen Herrschaft zu unterwerfen. Vermutlich hat der Autor die Entwicklung Frankreichs im Blick‚ die zu einer frühen Staatenbildung geführt hat. Über Mögliches läßt sich nun trefflich streiten.
Sprachlich ist das Stück in unregelmäßigen Blankversen verfaßt‚ die sich leicht verständlich lesen lassen. Auf Grund der inkonsequenten Darstellung ist eine Aufführung schwer vorstellbar. Immerhin regt der Text an‚ über geschichtliche Vorgänge nachzudenken.

Hohentramm‚ Alexander von: Arminius. Ein deutsches Schicksal in Szenen. 2010. 107 S. ISBN 978-3-926370-52-5 Arnshaugk Verlag Kt. 14‚– €


Zum Inhaltsverzeichnis der Zeitschrift