Ruth Bierawski studierte Deutsch und Pädagogik‚ sie war beruflich als Lehrerin tätig. Ihre Texte wurden in Anthologien und Journalen veröffentlicht und bei Lyrikwettbewerben prämiert (Nationalbibliothek des deutschsprachigen Gedichtes). Gesammelte Texte befinden sich in vier Lyrikbänden und einem Prosaband. Das Buch »Eine Liebe über Grenzen –- eine grenzenlose Liebe?« erschien 2010 im Projekt-Verlag Cornelius Halle und beginnt im Jahre 1989 mit einer euphemischen Feststellung: »Dieser November war unwiederholbar‚ ein jubelnder Monat des Lichts‚ von einem Volk entzündet‚ das die Flügel entfaltete‚ einem Volk‚ das Tränen der Rührung und Freude weinte.« (S. 7). Welcher freiheitsliebende Mensch sollte sich da nicht mitfreuen‚ ahnungslos‚ welche Tücken der Globalisierung uns zwanzig Jahre später heimsuchen sollten‚ so daß sich manche panisch nach dem Sozialismus zurücksehnen auf Grund einer verheerenden Heuschreckenplage.
Die erste Erzählung des Sammelbandes von insgesamt elf Erzählungen trägt den Titel »Kindheit im Schatten«. Es ist die Beschreibung einer Reise in die Vergangenheit‚ an die heimatlichen Orte der Kindheit‚ vor allem in der Zeit des Krieges. Da die Grenzen nun offen sind‚ kann die Familie nach Kassel in Westdeutschland fahren. Der zweite Teil der Erzählung spielt in Thüringen. Sehr einfühlsam wird die Geschichte der Familie erzählt‚ der das Glück abhold ist‚ in der Zeit nach dem Kriege im Osten Deutschlands‚ einer sehr harten Zeit‚ die von Vorurteilen und mancherlei Ränken geprägt ist. Die zweite Geschichte‚ »Eine Liebe über Grenzen –- eine grenzenlose Liebe?«‚ die zugleich Titel des Buches ist‚ beschreibt eine Liebe zwischen Ost und West. »Es waren eine hohe Mauer und Stacheldrahtzäune‚ streng bewacht und durch einen breiten Streifen‚ mit Minen gespickt‚ erweitert‚ tödliche Drohung aussendend und verwirklichend. Dies trennte einen kleinen‚ sich mühenden von einem großen‚ blühenden (so schien es) Teil des Vaterlandes. In dem kleinen Ländlein wohnte Monika‚ in dem großen wartete Henry‚ bislang vergeblich.« (S. 54). Die Liebe geht in Erfüllung und scheitert am Ende doch. Im Vordergrund steht jedoch nicht der Geist jener Zeit‚ sondern es ist der Mensch mit seinen Schwächen und Stärken. Vor allem sind es die Männer in den Erzählungen‚ die von Unstetigkeit geprägt sind. Die Texte bestechen durch mitunter schmerzlichen Realismus und schnörkellose Lebensweisheit. Diese Linie setzt sich fort in den Geschichten »Das verschwundene Weihnachtsgeschenk«‚ »Das Geburtstagskind«‚ »Sei vernünftig‚ laß uns sparen!«‚ »Unvergessen«. Hier sei angemerkt: Sparen ist durchaus vernünftig‚ aber bei Damenschuhen sollte man nie sparen! Beeindruckend ist die Geschichte »Würde sie es überleben?« Die Erzählung besticht durch das große Einfühlungsvermögen der Autorin hinsichtlich des Umbruches im Schulsystem der Nachwendezeit. Auf Grund ihres früheren Berufes ist sie zweifellos Expertin. Auch hier geht es um anthropologische Konstanten. Nachdem sich die Koordinaten verändert haben‚ gewinnen die Opportunisten bald wieder die Oberhand‚ der Aufrichtige hat oft die schlechteren Karten. Hier offenbart sich auch ein Leiden an der Welt. Um die Mühen des Alltags geht es in der Geschichte »Geburtstag feiern ist was Schönes«. In den Erzählungen »Judith« und »Margot« geht es wiederum um die Liebe‚ in der Jugend‚ im Alter. Die letzte Geschichte des Bandes‚ »Eine Familie an einem Sonntag oder »Er hat dir nichts zu sagen!««‚ thematisiert die Probleme einer Patchworkfamilie.
Fazit: Ein durchaus lesenswertes Buch. Prinzipien haben Vorrang gegenüber Emotionen. Glücklich wird nur‚ wer es vermag‚ nach seinen Idealen zu leben. Weltanschauung ist eine bewußt ergriffene Lebensorientierung und zugleich ein längeres Gedankenspiel. Seinen Lebensstil gründet man –- so meint man jedenfalls –- auf Maximen‚ von denen in wiederum prinzipiell genehmigten Ausnahmefällen abgewichen werden darf. Aber mitunter bleibt das Leben durchweg eine Baustelle.

Bierawski‚ Ruth: Eine Liebe über Grenzen – eine grenzenlose Liebe? Erzählungen. 2010. 124 S. ISBN 978-3-86634-957-5 Projekte Verlag Cornelius Kt. 9‚90 €

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