Die S�hne der Sonne
(Dieter Wolf)

Ingmar Werneburg‚ geboren 1981 in Erfurt in Thüringen‚ legt mit seinem Buch »Die Söhne der Sonne« einhundert Gedichte vor. Drei Aufzüge prägen die Sammlung: Der sonnige Tag / Der nordische Tag / Der fröhliche Tag. In diesen drei Akten treten hauptsächlich die Sonnengötter Apollon‚ Njörd und Frô auf. Im Kampf mit ihren Widerstreitern erleben sie Aufgang‚ Verfall und Wiedergeburt. Das Buch schließt ab mit einem Reisetagebuch über die westschwedische Provinz Bohuslän.
Anregung zu den Gedichten gaben Motive von Felsbildern aus der westschwedischen Bronzezeit‚ deren Abbildungen den Gedichten jeweils vorangestellt sind. Jeder Felszeichnung ist somit ein Gedicht zugeordnet‚ welches das Ahnbare zum Sprechen bringen soll. Das schwedische Wort für Felsritzung lautet Hällristningar und eröffnet eine phantastische Welt. Apollon hat auch in den 2. Teil‚ den »Nordischen Tag« Einzug gehalten‚ Götter halten sich nicht an strikte Abgrenzungen und die nordischen Temperaturen scheinen ihm nichts auszumachen (S. 80). Njörd findet sich konsequenterweise auch im dritten Aufzug‚ »Der fröhliche Tag«‚ und natürlich ebenso Freya und Odin. Hingegen treffen wir Frô (Freyr) nur im dritten Aufzug an‚ dafür hat er aber gemessen an allen anderen den meisten Spaß: »Kraftvoll – der Schwanz eines Stieres schwingt sich zum Götterschweif auf. Und bläst Du Dein Leben ins Holz‚ dann pfeift jede fröhliche Biegung« (S. 98). Im ersten Teil wird »der sonnige Tag« auch zur Arbeit genutzt (S. 26). Pflug: »Vorwärts‚ ihr schwebenden Rösser‚ es gilt meinen Namen zu schreiben. Tief in den ruhenden Schoß will ich Furchen aus Freude ihr ziehen. Fort bricht das schwarze Gestein‚ dringt mein Pflug in die atmende Flur. Schon feucht‚ in Erregung haftet der Boden an mir‚ mich verlangend. Aber Geduld! Soll der Bauer die Samen verteilen‚ wenn dort die gierige Krähe nur wartet‚ das Korn mit Hast zu verschlingen?« Apollon‚ so wissen wir‚ machte Delphi zum Nabel der antiken Welt‚ zur bedeutendsten Orakelstätte Griechenlands‚ zum Anziehungspunkt für Tausende von Pilgern‚ immerhin ist er der Gott des Lichts. Apollon ist zudem Sohn des Zeus. Der edle Jüngling symbolisiert den Sieg der kultivierten Welt über die Barbarei‚ ob dies jedoch ein stringentes Motiv sein kann‚ im Norden tätig zu werden‚ ist Ansichtssache. Allerdings ist der Handel des Nordens mit Griechenland verbürgt. Njörd hingegen ist einer der Wanen‚ ein nordischer Wind-‚ Meer-‚ Feuer- und Fruchtbarkeitsgott. Nachweisbar wanderte der Name »Nerthus« in den Norden und wurde dort vermännlicht zu »Njörd«‚ mehr als umstritten ist jedoch in den Netzseiten‚ er habe auch nur irgend etwas mit der Erfindung des Kopfkissens zu tun (S. 59). Njörd: »Neidisch erlegte mein Vater den singenden Schwan und er schmückte freudig mit Federn die stählerne Brust und die kraftvollen Arme. Mir‚ seinem Sproß‚ wuchsen glänzende Schwingen – mit Nektar beträufelt trag ich das Licht in den Daunen‚ das lustig drin springt wie zum Tanze.« Stürme verirren sich leicht in dem Kleide des nordischen Gottes. »Ruhe gebiet ich der See‚ streift mein Flügel die brausenden Wellen.« Freyr (Frô) ist ebenso ein nordischer Gott der Liebe und Fruchtbarkeit‚ auch er gehört zum Geschlecht der Wanen‚ denn er ist der Sohn des Njörd. In der Schlacht reitet er auf seinem goldenen Eber‚ sein Schiff Skilbladnir kann fliegen. Zudem besitzt er ein Zauberschwert‚ welches ihn unbesiegbar macht‚ später verschenkt er es.
Im Anhang des Buches beschreibt Ingmar Werneburg sehr einfühlsam seine erste Begegnung mit der schwedischen Vorzeit in Gamla‚ dem alten Uppsala. Seinen Bewertungen kann man nur uneingeschränkt zustimmen. Im Hauptteil des Anhanges beschreibt er seine Begegnung mit den Felsbildern von Bohuslän‚ die wohl die wichtigste Inspirationsquelle für dieses Buch boten. Aus seiner Sicht sind sie Kunstwerke‚ die die Landschaft dirigieren‚ nicht umgekehrt‚ und Aufgabe des Dichters ist es‚ sie zu beleben. Für eine persönliche Bewertung der Tiefendimension all dieser Dinge bin ich viel zu befangen. Daher habe ich mich an Freyr gewandt. Seine Antwort lautet folgendermaßen:
                  »Die Götter regen sich.
                  Sie wandeln sich.
                  Sie regen sich selbst.
                  Sie regen sich auf.
                  Sie regen sich wieder
                  Dich aufzuregen.
                  Wo aber sind diese Götter?

                  Sie regen sich – du spürst sie manchmal.
                  Sie regen dich auf‚ wenn du träumst.
                  Sie regen sich wieder für dich‚ der du lebst.
                  Sie regen sich in dir‚ wo sonst.
                  Was glaubst du bloß‚ wer du bist?«

Summa summarum: Dieses Buch ist ein »Muß« für Freunde archaischer Lyrik‚ nordischer Mythologie und bronzezeitlicher Felszeichnungen.

Werneburg‚ Ingmar: Die Söhne der Sonne. Gedichte. 2010. 147 S. ISBN 978-3-905923-01-8 Scidinge Hall Kt. 13‚50 €

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