Peiskersdorf (Wilhelm Castun)Mögen Lyrik und Gesang Domäne der Jugend sein so ist die Historiographie eine des Alters. Nicht nur die Zeitzeugenschaft mit vergangenen Ereignissen sondern auch der immer wieder augenommene Versuch sie zu beschreiben in einem sich verändernden wissenschaftlichen aber auch gesellschaftlichen Umfeld machen schließlich den Meister. Die Autorin Historikerin und Geschichtsdidaktik-Forscherin weiß leidvoll um die viele Selbstbezüglichkeiten der Geschichtsschreibung. Und sie weiß auch daß Jugenderinnerungen nicht durch sentimentale Verklärung sondern methodische Suche nach Zeugen und Zeugnissen zu leuchten beginnen.
Die Berlinerin kam mit der Kinderlandverschickung nach Schlesien wo sie die sowjetische und die polnische Besatzung erlebte und schließlich nach Ostfriesland vertrieben wurde. Nach dem Studium kehrte sie in den Westteil ihrer Heimatstadt zurück.
Es gibt so viele Darstellungen zu Schlesien – was ist nun das Besondere an diesem Buch? Mag auch Breslau eine der bedeutendesten Städte des Reiches sein so ist Schlesien doch ein ländlicher Raum seine Kultur eine dörfliche. Bei dem Wort stehen uns wogende Weizenfelder vor Augen. Manuela Schöps stellt uns 800 Jahre deutsche Kultur brennpunktartig in einem kleinen Dorf im Eulengebirge vor in jedem Gehöft bei den Bauern Gärtnern und Häuslern bei den Webern und Fabrikanten im Gasthof im Tanzsaal in der Kirche unter der Linde. Als ein langer Fußweg vom nächstgelegenen Bahnhof trennte und es natürlich keine Automobile gab war das Dorfleben noch ein geschlossener Kosmos mit einem intakten Gedächtnis. Unglaublich was die Autorin in vieljähriger passionierter Arbeit alles herausgefunden hat. Unglaublich aber auch was nach der Kapitulation geschah. Und dies nicht namenlos in der Statistik sondern in Einzelschicksalen in die sich der Leser sehr gut einfühlen kann. Frau Schöps versteht es meisterhaft die Selbstherrlichkeit der Großen in Potsdam und ihre bürokratischen Machwerke mit den vielen kleinen Teufelchen vor Ort zu verbinden. Ein Werk daß Orts- und Weltgeschichte eindrucksvoll verbindet.
Über die Geschichte des Dorfes hinaus zeigt dieses Buch Hintergrundwissen zur schlesischen Geschichte überhaupt und zur Vorgeschichte der Vertreibung in der Millionen Deutsche aber auch andere Völker Verschiebemasse für die Interessen der Sieger wurden. Der Versuch durch Säuberungen ethnische Homogenität zu erhalten und Grenzveränderungen durch das Selbstbestimmungsrecht lokaler Mehrheiten auszuschließen darf gleichwohl als gescheitert gelten. Schlesien krankt heute an seiner zerschnittenen Geschichte und entvölkert sich über weite Strecken. Es hat deshalb durchaus Aktualität wenn daran erinnert wird wie dieses Land einst urbar gemacht wurde.
Die Erinnerungen an das Dorfleben enthalten neben Berichten etwa des Pfarrers und des Lehrers viele Bildzeugnisse in denen sich auch andere vertriebene Schlesier wiedererkennen mögen. Ergänzt wird die solide historische Arbeit mit umfangreichen Quellenangaben und Literaturhinweisen durch faksimilierte Dokumente der Vertreibung die sich sonst nur sehr schwer finden lassen.
Schöps Manuela: Peiskersdorf. Ein schlesisches Dorf im Eulengebirgsvorland. Geschichte und Beschreibung. 2015. 204 S. 46 Abb. 22 Ktn. ISBN 978-3-944064-17-8 Arnshaugk Gb. 28– €
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