Illustrationen von Martin Mosebach
(Wilhelm Castun)

Ein Gedichtband‚ der sich gar nicht als solcher präsentiert‚ man muß schon blättern‚ um die Verse zu finden. Nach dem Interview am Anfang des Buches findet man auf den linken Buchseiten kleine Gedichte‚ sorgsam gereimt‚ witzig und hintergründig. Darunter ein Hinweis darauf‚ daß die Zeichnung auf der rechten Seite eine Illustration zu diesem oder jenem Buch sei. Die Titel der illustrierten Bücher und ihre Autoren ergeben ein so buntes Bild‚ daß man einen professionellen Illustrator der Weltliteratur erwartet. Aber schon der Klappentext behauptet das Gegenteil. Es handle sich bei diesen skurrilen Skizzen um spielerische Versuche‚ die Gedanken auf die mühselige Welt des Schreibens einzustimmen‚ die Phase der Einfallslosigkeit zu überwinden und im Umgang mit vorgegebenen Formen einen Einstieg in das Schöpferische zu gewinnen‚ betont der Autor in dem Interview. Im fertigen Buch hätten diese kleinen Helferlein nichts zu suchen. Die Interviewerin bringt den Gedanken ins Spiel‚ die Kritzeleien könnten vielleicht »«Wasserspeier»« sein‚ kleine Dämonen‚ die den Text vor Veränderung schützen. Der Gedanke gefällt dem Autor‚ aber ebenso‚ wie man Amulette nicht öffentlich trägt‚ so müsse der Leser seine eigenen Laren und Penaten in den Text bringen. Vielleicht sollte man Leerseiten in die Bücher heften‚ um dem Leser Raum nicht nur für Glossen‚ sondern auch für seine eigenen »Heinzelmännchen« zu schaffen.
Im Vers wie in der Prosa zeigt der Autor seine Neigung zum Vorgeformten und seine Scheu gegenüber dem Abstrakten. Der thomistische Gedanke der »creatio ex nihilo« sagt ihm nicht zu‚ er hält es lieber mit dem altjüdischen »Tohuwabohu«‚ das von Gott geordnet wird. Überhaupt wird er nicht müde zu bedauern‚ daß er selbst leider ein unordentlicher Mensch sei‚ der die Ordnung bewundere. Wer weiß‚ daß dieser Autor nicht nur Satz für Satz‚ sondern auch beim Augenschein Zoll für Zoll nichts als Kultiviertheit verströmt‚ kann das Einräumen eigener »Unordnung« gebührend gewichten. Dies trifft sich mit den verschwiegenen Gedichten und den als Kritzeleien abgetanen Zeichnungen. Allerdings sind diese Tiefstapeleinen keine bloße Marotte. Sie sind Winke‚ daß der Autor um die tatsächlichen Maßstäbe weiß‚ und diese kleine Sammlung von »Marginalien« und »Brosamen« offenbart vieleicht mehr von den Maßstäben einer echten Kultur als ein voluminöses philosophisches System.

Mosebach‚ Martin/ Gfrereis‚ Heike: Illustrationen von Martin Mosebach. 2010. 56 S. ISBN 978-3-937384-66-5 Deutsche Schillergesellschaft Kt. 9‚– €

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